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Mechanismus des stoßinduzierten Zerfalles

Bei MS/MS-Experimenten werden ausgewählte Ionen in einer Stoßzelle des Massenspektrometers durch Zusammenstöße mit Atomen oder Molekülen eines neutralen Gases (Target-Gas) zur Reaktion gebracht. Die Reaktionsprodukte werden registriert. Sind die Reaktionen stoßinduzierte Zerfälle, so bezeichnet man das erhaltene Produkt-Ionen-Spektrum als CID-Spektrum.

Man unterscheidet Hochenergiestöße und Niedrigenergiestöße, die zu grundlegend verschiedenen Zerfallsmechanismen führen.

Von Hochenergiestößen spricht man, wenn die Ionen eine kinetische Energie im keV-Bereich besitzen. Solche Ionen haben eine so hohe Geschwindigkeit, dass die Wechselwirkung mit einem Teilchen des Stoßgases äußerst kurz ist, ähnlich der Wechselwirkung eines Elektrons mit einem Probenmolekül bei der Elektronenstoßionisierung (für Ionen < 1000 Da) Es kommt daher wie bei der Elektronenstoßionisierung zu einer vertikalen elektronischen Anregung. Die elektronische Energie wird auch hier durch strahlungslose Übergänge in Schwingungsenergie konvertiert. Für den stoßinduzierten Zerfall gilt daher die Quasi-Gleichgewichts-Theorie. Von Niedrigenergiestößen spricht man, wenn die kinetische Energie der Ionen zwischen O und 100 eV liegt. Hier muss für den stoßinduzierten Zerfall ein ganz anderer Mechanismus angenommen werden: Es kommt beim Stoß zu einer direkten Schwingungsanregung des Ions im elektronischen Grundzustand. Ion und Neutralteilchen ziehen sich auf Grund von Ion-Dipol-Kräften gegenseitig an; bei geringen Stoßenergien können sich daher Stoßkomplexe bilden, deren Lebensdauer einige Rotationsperioden übersteigt. Ein Teil der Stoßenergie geht in Schwingungsenergie über, die sich statistisch über die Schwingungsfreiheitsgrade des Komplexes verteilt. Handelt es sich um ein vielatomiges Ion, so nimmt dieses einen großen Teil der Schwingungsenergie auf. Eine vollständige Gleichverteilung der Energie wird allerdings nicht erreicht. Je größer die Stoßenergie, desto kürzer ist die Lebenszeit des Stoßkomplexes. Bei höheren Energien wird daher der eben geschilderte Mechanismus der Energieübertragung zurücktreten. Es kommt dann zu einer direkten Anregung einzelner Schwingungsfreiheitsgrade durch den Stoß. Dabei wird aber ein wesentlich geringerer Teil der Stoßenergie in innere Energie umgewandelt als bei der Komplexbildung.


Auf Grund des geschilderten Mechanismus der Energieübertragung kommt es beim stoßinduzierten Zerfall zu großen Streuwinkeln. Beim Zerfall des Stoßkomplexes ist ja die Richtung, in der Ion und Target auseinanderfliegen, weitgehend unabhängig von der ursprünglichen Flugrichtung der Ionen. Auch bei der direkten Anregung einer Schwingung durch den Stoß kommt es durch die Impulsübertragung zu einer starken Ablenkung des Ions aus seiner Flugbahn. Aus diesen Gründen wird als Stoßzelle für Niedrigenergiestöße ein Quadrupolsystem verwendet, das nur mit Hochfrequenz allein betrieben wird. Auf diese Weise gelingt es, die gestreuten Ionen einzufangen und auf stabile Flugbahnen zu bringen. Die Streuverluste sind dann gering und fallen meist weniger ins Gewicht als die Verluste durch Umladungen. Anders ist dies bei Hochenergiestößen. Hier kann wegen der hohen Energie der Ionen keine Quadrupol-Stoßzelle verwendet werden. Die Streuverluste sind hoch; nur streifende Zusammenstöße führen zu registrierbaren Tochter-Ionen. Dies bedeutet kleine Stoßquerschnitte (etwa 1 A). Die Tochter-Ionen-Ausbeute ist daher geringer als bei Niedrigenergiestößen.


Last Update: 2010-12-14