Teach/Me Instrumentelle Analytik ist ein bei Springer, Heidelberg, erschienenes CDROM-basiertes Lehrbuch zur instrumentellen chemischen Analytik. Weitere Informationen finden sie hier....


Energieübertragung beim Stoß

Wir wollen nun danach fragen, wie groß die Energie ist, dic beim Stoß in innere Energie des Ions umgewandelt wird. Wir bekommen eine obere Grenze für diese Energie, wenn wir die Umwandlung von kinetischer in innere Energie beim vollkommen unelastischen Stoß betrachten (siehe Abb.). Aus dem Impulserhaltungssatz folgt:

mI Masse des ersten Teilchens
mN Massendifferenz zum zweiten Teilchens
v1,2 Geschwindigkeiten der Teilchen

Ablauf eines unelastischen Stoßes

Daraus ergibt sich

mit
und
E1,2 kinetische Energie der Teilchen (über E = ½·m·v2

Die kinetische Energie ist demnach beim Stoß um den Faktor mI / (mI + mN) kleiner geworden. Der Anteil der kinetischen Energie, der in innere Energie umgewandelt worden ist, beträgt somit:

Dieser Anteil ist gleich der Stoßenergie in einem Koordinatensystem, das sich mit dem Schwerpunkt der beiden Stoßpartner bewegt (in einem solchen System wird ja die gesamte Stoßenergie in innere Energie umgewandelt). Je nach Wahl des Koordinatensystems erhalten wir somit für die Stoßenergie:

Laboratoriumsenergie:
Stoßenergie:

wobei ECM (CM: Center of Mass) die obere Grenze für die Energie darstellt, die bei einem Stoß in innere Energie des Ions umgewandelt wird.

Wenden wir nun diese Überlegungen auf Hochenergie- und Niedrigenergiestöße an. Bei Hochenergiestößen wird als Stoßgas ein möglichst leichtes Gas verwendet, um die Streuverluste klein zu halten. Meist wird Helium angewandt.(Helium hat den zusätzlichen Vorteil einer hohen Ionisierungsenergie, wodurch auch die Verluste durch Umladungen gering gehalten werden.) Wählen wir als Beispiel eine Ionenmasse von 200 Da und eine Stoßenergie von 3 keV, so erhalten wir für die höchstmögliche Energieübertragung einen Wert von 59 eV.

Tabelle 1: Obere Grenze für die Energie, die beim Stoß

in innere Energie des Ions umgewandelt wird

Laboratoriums-

stoßenergie (ELab)

Masse des Ions

(mI)

Stoß-

gas

ECM

nach Glchg. (4)

3000

200 Da

He

59 eV

40

200 Da

He

0,8 eV

40

200 Da

Xe

16 eV

40

200 Da

Ar

0,8 eV

Dieser Wert ist fast genau so groß wie die höchstmögliche Energieübertragung beim Elektronenstoß in der Quelle. Die aus dem Experiment abgeschätzte mittlere Energieübertragung beim Hochenergiestoß beträgt einige eV und liegt damit ebenfalls in der gleichen Größenordnung wie beim Elektronenstoß in der Quelle (6). Dazu kommt, dass die Energieverteilung, die sich in der Stoßzelle einstellt, der Energieverteilung in der Elektronenstoßquelle oft sehr ähnlich ist (7). Und auch die Verweilzeit der Ionen in der Stoßzelle entspricht unter Hochenergie-Bedingungen weitgehend der Verweilzeit in der Quelle (rund 10 6s). Es ist daher verständlich, dass Hochenergie-CID-Spektren und EI-Spektren oft sehr ähnlich sind.

Betrachten wir jetzt Niedrigenergiestöße und wählen wir wieder Helium als Stoßgas. Bei einer Stoßenergie von 40 eV ist in unserem Beispiel die maximal übertragbare Energie kleiner als 1 eV (Tab. 1). Diese Energie reicht nicht aus, um ein brauchbares CID-Spektrum zu erzeugen. Für Niedrigenergiestöße ist Helium also ein ungeeignetes Stoßgas! Verwendet man anstelle von Helium unter sonst gleichen Bedingungen Xenon als Stoßgas, so erhöht sich der Wert von ECM auf 16 eV (Tab. 1).

Nach Gl. (4) steigt die übertragbare Energie mit der Masse des Targets und sinkt mit der Masse des Ions. Dies führt - wie wir gesehen haben - zu Problemen bei kleinen Targetmassen, es führt aber auch zu Problemen bei großen Ionen. Wenn wir z.B. anstelle eines Ions der Masse 200 ein Ion der Masse 2000 wählen, so kann auch mit Argon als Stoßgas nur mehr eine Energie von weniger als 1 eV übertragen werden (Tab. 1). Dazu kommt, dass diese Energie bei großen Ionen über sehr viele Schwingungsfreiheitsgrade verteilt wird. Es ist unter diesen Umständen oft nicht mehr möglich, die Ionen zum Zerfall zu bringen. Da es sich nicht um vollkommen unelastische Stöße handelt, wird nicht der gesamte Betrag von EcM in innere Energie umgewandelt. Die von den Ionen tatsächlich aufgenommene Energiemenge kann aus dem Experiment abgeschätzt werden und in Tab. 2 ist zur Veranschaulichung ein Beispiel angeführt. Im Bereich der Laboratoriumsenergien von 0 bis 20 eV steigt die aufgenommene Energiemenge ungefähr proportional zur Stoßenergie. Im Bereich von 40 bis 100 eV hingegen erhöht sich die aufgenommene Energiemenge nur mehr unwesentlich. Bei geringer Stoßenergie wird der Großteil von ECM in innere Energie umgewandelt; bei höheren Stoßenergien wird der umgewandelte Bruchteil rasch kleiner. Dies liegt im wesentlichen daran, dass nur bei niedrigen Energien genügend langlebige Stoßkomplexe gebildet werden.

ELab (eV)

ECM (eV)

innere Energie

(eV) (%ECM)
0 0 0 -
20 5 4 80
40 10 5 50
60 15 5 30
80 20 5 25
100 25 5 20

Man sieht, dass die mittlere Energieaufnahme bei Niedrigenergiestößen in der gleichen Größenordnung liegt wie bei Hochenergiestößen. Dennoch gibt es Unterschiede. So gibt es in der Energieverteilung nach Hochenergiestößen einen "Hochenergie-Tail" (Abb.) Infolgedessen können sich bei Hochenergiestößen in begrenztem Umfang auch Produkt-Ionen bilden, deren Entstehung sehr viel Energie erfordert.

Andererseits werden unter Niedrigenergie-Bedingungen bei höheren Stoßgasdrucken auch Mehrfachstöße registriert, was vor allem auf die fokussierende Wirkung des Stoßquadrupols zurückzuführen ist. In diesem Fall können ebenfalls hohe Energiebeträge aufgenommen werden. Für die Strukturanalyse von Ionen sind Mehrfachstöße ungünstig, da zwischen zwei Stößen eine Isomerisierung ablaufen kann.



Last Update: 2010-12-14